Su Dong-Po, auch Su Shi, (1036 - 1101)
China der Sung-Zeit

Übersetzung: Dr. Ursula Toyka-Fuong, Bonn
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<Erstes Fu zur "Roten Wand" ~ "Chì Bì">  
   

Im Herbst des Jahres 'jen hsü' am sechzehnten Tag des siebten Monats, fuhr ich mit Gästen in einem Boot hinaus zu einem Ausflug unterhalb der Roten Wand.

Ein frischer Wind zog langsam auf, ohne Wellen zu werfen.

Während ich den Weinkrug hob und dem Gast einschenkte, murmelte ich das Gedicht vom "Hellen Mond" und wir sangen die Strophe "Yao T'iao".

Nach einer Weile stieg der Mond über den Bergen im Osten auf und schwankte zwischen Schütze und Widder.

Weißer Tau schien über dem Fluß zu liegen, und der Glanz des Wassers be-rührte den Himmel.

Ungelenkt trieb das kleine Boot glitt ziellos in die grenzenlose Weite des Wassers.

Oh, wie unendlich weit Es schien, als lenkten wir die Leere erklimmend den Wind als Wagen, nicht wissend, wo er halten würde. Oh, wie unstet wehend! Mir war, als ob ich von allem mich lösend die Welt verließ, beflügelt aufstieg zu den Unsterblichen.

Frohgestimmt tranken wir dann unseren Wein, schlugen auf die Bootswand und sangen dazu. Das Lied lautete:

"Langes Ruder aus Kassie, Kurzruder aus Magnolie! Ich zerteile das Spiegelbild des Mondes und fahre seinem fließenden Glanz entgegen.

Wie grenzenlos ist mein Ver-langen! Nach der Schönen sehn' ich mich am fernen Ort der Erde!

Einer unter den Gästen blies die Lochflöte und begleitete das Lied harmonisch folgend. Seine Töne waren voller Weh:

Wie grollend, wie sehnend, wie schluchzend, wie aufbegehrend.

Die nachwehenden Klänge schwangen sich auf, fortziehend wie ein Faden aus Rauch.

Sie rührten den Flutdrachen auf, der versteckt war in finsteren Tiefen, und brachten zum Weinen die Witwe im einsamen Boote.

Die Farbe wich mir aus dem Antlitz. Mein Gewand ordnend richtete ich mich auf und fragte den Gast: "Warum ein solches (Spiel)?" Der Gast sagte:

'Hell ist der Mond, vereinzelt steh'n die Sterne, Krähen und Elstern fliegen gen Süden.' Ist dies nicht Ts'ao Meng-te's Gedicht?

Westlich blickt man gen Hsia-k'ou, östlich gen Wu-ch'ang.

(Eng) umwinden sich Berge und Fluß, wie üppig wächst das satte Grün!

Ist dies nicht (der Ort), wo Meng-te durch Jung Chou in Bedrängnis geriet?

Als er dabei war, Ching-chou zu zerschlagen, zog er hinab nach Chiang-ling und (fuhr dann) stromabwärts gen Osten:

Heck und Bug (aneinander gereiht) über tausend Meilen, Flaggen und Banner verdeckten den Himmel.

Und (während) er beim Fluß Wein ausschenken ließ, legte er die Lanze quer (vor sich nieder) und komponierte ein Gedicht.

Gewiß war er ein Held zu seiner Zeit! Allein - wo ist er heut'?

Vergleichet es mit mir und Euch: Wir fischen und sammeln Reisig auf der Insel im Fluß, Fischen und Krabben zugestellt und befreundet mit Elch und Hirsch.

Hier fahren wir auf einem Boot als sei's ein Blatt, heben die Becher aus Flaschenkürbis‚ um einander in Freundschaft zu binden,

und weilen (doch nur) wie Eintagsfliegen in der Welt, sind winzig wie ein Hirsekorn, das auf dem Meere treibt;

Ich beklage die Kürze unseres Lebens und neide dem Langen Strom‚ daß er nie versiegt.

Könnt' ich einen fliegenden Geist ergreifen und umherschweifen, den Mond umfassen - dann wär' mein Ende fern!

Ich weiß, solches läßt sich nicht mit Hast erlangen, und überlaß' mein Echo dem klagenden Wind."

Ich sprach: "Wißt Ihr aber um dieses Wasser, diesen Mond?

(In der Natur mag) etwas fließen wie dieser (Strom) - und ist doch nie enteilet,

(es mag) etwas zunehmen und abnehmen wie jener (Mond) - und ist doch im Grunde weder geschwunden noch gewachsen.

Denn wenn man sie von ihrem Wandel her betrachtet‚ dann kann man die Welt nicht für einen Augenblick (in ihrem Sein) erfassen.

Betrachtet man sie von ihrer Unwandelbarkeit her, dann sind die Dinge und ich unendlich. Was gibt's da noch zu neiden?

Überdies hat auf der Welt ein jedes Ding seinen Herrn, und es genügt, daß es nicht mir gehört: dann werd' ich keinen Bruchteil davon nehmen!

Nur der frische Wind über dem Fluß und der helle Mond zwischen den Bergen,

was das Ohr erhascht und zum Tone macht, was dem Aug' begegnet und Farbe wird,

das ist uns nicht versagt zu nehmen, steht unerschöpflich zu unserem Gebrauch.

Es ist des Schöpfers unendlicher Speicher und das, von welchem ich und Ihr gemeinsam kosten!

Des freute sich der Gast und lachte. Wir spülten die Becher und schenkten uns ein.

Als Fisch und Kerne aufgezehrt und Becher und Schalen ungeordnet umherlagen,

legten wir uns, einander zu Kissen nehmend, gemeinsam ins Boot und nahmen nicht wahr, daß es im Osten schon hell wurde.

 
       
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