Ausstellung von
Chen Hui-Chun, Henri Druel und Joachim Hirling

Text: Uli Funk

 
ulrikefunk@hotmail.com  
 
»Netz Traum Raum«  
   

Chen Hui-Chun aus Taiwan R.O.C. beschäftigt sich in ihrer Arbeit zumeist mit dem Zustand des Träumens. Im Traum verschwimmen die die Realität bestimmenden Faktoren Raum und Zeit. Die engen Grenzen dieser Parameter werden durchbrochen und ins Unendliche erweitert, bleiben jedoch ungreifbar für den Träumenden und zerplatzen wie Seifenblasen sobald er die Hand danach ausstreckt.

Oben und Unten können sich im Traum verkehren; die Vergangenheit kann uns im Traum zur Gegenwart werden und manches Bild der Gegenwart scheint uns aus Träumen bekannt zu sein. Beim Erwachen versucht man das Geträumte zu begreifen, festzuhalten, doch die Erinnerung entgleitet im selben Moment.

Diesem Moment der Ungreifbarkeit spürt Chen Hui-Chun in ihren Arbeiten nach. Sie versucht u.a. virtuelle Räume vor unseren Augen zu erzeugen, die sich, wie in Träumen, zum Beispiel den gegebenen Vertikalen und Horizontalen widersetzen. In früheren Installationen zeigte sie Fotos hinter spiegelnden Oberflächen, die sich dem Betrachter, je mehr er sich neugierig nähert, entziehen.

Die hier im Glashaus gezeigte Arbeit von Chen Hui-Chun wurde von ihr speziell für diese Ausstellung geschaffen. Der Ort des Glashauses war ihr nur durch Beschreibungen und Fotos bekannt, doch die Vorstellung in einem ehemaligen Gewächshaus auszustellen weckte in ihr die Idee, hier einen Traum-Blumengarten anzupflanzen. Die Arbeit trägt, ins Französische übersetzt, den Titel "Ce no sont pas des fleurs". Auch hier löst sie die Grenzen des gegebenen Raums auf und verkehrt oben und unten, durch die von der Decke hängenden, bzw. im Raum schwebenden Blumen aus phosphoreszierendem Plexiglas.

Im Hinterhof des Glashauses ist außerdem noch eine Videoarbeit von Chen Hui-Chun mit dem Titel "disparation" aus den Jahren 1999/2000 zu sehen. In dieser Arbeit beschäftigt sie sich mit dem veränderten Zeitempfinden während des Träumens, welches eine veränderte Wahrnehmung zur Folge hat.

Die Darstellung des Ungreifbaren, des Empfindens während des Träumens ist die Unmöglichkeit an die sich Chen Hui-Chun durch ihre Arbeiten anzunähern sucht.

 

Henri Druel aus Frankreich zeigt hier im Glashaus eine Auswahl seiner jüngeren Zeichnungen und konstruierten Apparate, durch die er sich mit der uns alle umgebenden Realität eines modernen Industriezeitalters auseinandersetzt. Der zivilisierte Mensch profitiert nicht mehr nur von den Errungenschaften der Technik, er ist ihnen auch unterworfen. Die Maschinen beherrschen unser Leben, weil, so meint Henri Druel, wir sie nicht mehr in Frage steilen.

Diesem "In-Frage-Stellen" geht Henri Druel in seiner Arbeit nach: Er spielt mit den vorgegebenen Funktionen der uns, mehr oder weniger alltäglich, umgebenden Geräte, indem er sie beispielsweise verbindet, ihre Funktionen isoliert und wieder frei kombiniert. Durch diese Synthese befreit er sich von der Bestimmung durch die industriell geschaffene Funktion und gibt den Apparaten eine neue selbst geschaffene Bestimmung.

So entsteht beispielsweise aus einer Telfonglocke und einem Tätowiergerät ein neuer Apparat, der, an eine Telefonleitung angeschlossen, bei Anruf tätowiert. Die Kombination einer Fotokamera mit einem Faxgerät ermöglicht es ihm, ohne Film und Entwicklungsbäder, Bilderstreifen zu produzieren, bei denen sich die Belichtungszeit, die bei regulären Fotos das Geheimnis des Fotographen bleibt, an der Länge des Streifens ablesen lässt.

Seine Ideen hält er zunächst in Zeichnungen fest, die, nicht nur, weil bisher nicht alle Apparate verwirklicht werden konnten, ihren eigenen Stellenwert besitzen. Zumeist collageartig aufgebaut, entwickeln sie formale Eigenständigkeit, die über den reinen Akt des Skizzierens von Ideen hinausgeht.

Die in der Ausstellung gezeigten Wandobjekte, Materialcollagen aus Holz und Computerteilen, beschäftigen sich mit dem Phänomen des Internets als virtueller Welt, die dem "Benutzer" zwar Informationen preisgibt, aber letztlich unerreichbar bleibt. Vor allem die an der Bildschirmoberfläche abprallenden Sehnsüchte, bzw. die im Netz gefangenen Objekte der Begierde, regten Henri Druel zu dieser Arbeit an.

Es geht ihm jedoch letztendlich nicht um eine pessimistische Darstellung unserer Welt, sondern um ein kritisches Betrachten, das zum kreatives Erforschen der gegebenen Möglichkeiten führt.

 

Joachim Hirling, der nicht zum ersten Mal im Glashaus ausstellt, zeigt diesmal eine Installation aus Papierarbeiten. Es handelt sich hierbei um in sich geschlossene Arbeiten, die in ihrer Kombination neue Zusammenhänge eingehen.

Die gemalt/gezeichneten Einzelbilder bilden, durch eine Hängung an Schnüren und Stangen modulartig zusammengesetzte Wände, die einen rechteckigen Raum im Raum einfassen.

Die Anordnung der Blätter ist variabel und wird von Joachim Hirling je nach Ausstellungsort neu festgelegt um ein optimales Ergebnis zu erreichen. Dies gilt sowohl für die Ausmaße des Raumes, wie auch für die Kombination der Einzelblätter. Die Installation lädt zu einer Annäherung von Außen und zu einem Hineingehen in das Innere ein, um die Wirkung der verschiedenen An- und Einsichten zu überprüfen.

Die Beschäftigung mit Schrift und Zeichen zieht sich seit langem als roter Faden durch die Arbeit von Joachim Hirling. Die jetzt gezeigten Zeichnungen sind 1997-98 entstanden, auch in der Auseinandersetzung mit chinesischer Kalligraphie und Malerei bei einem einjährigen Aufenthalt in Taiwan R.O.C. von 1996 - 97. Die Reihe der Zeichnungen setzt sich auch weiterhin fort.

Die einzelnen Blätter sind wie Zeichen zu verstehen, die in ihrer Kombination neue Sinnzusammenhänge ermöglichen. Es gibt dabei aber keine einzig gültige Lesart, wie von oben nach unten, oder von links nach rechts, ect. - auch hier impliziert sich grundsätzlich eine andere Möglichkeit der Anordnung, welche wiederum zu anderen Informationen führen kann. Dadurch zeigen sich auch grundsätzliche Parallelen zur sprachwissenschaftlichen Betrachtungen in dieser Arbeit.

Spannend ist eine notwendige Differenzierung. - Ab wann und durch was, münden die Bedeutungsinhalte in eine andere Aussage? Vor allem, wenn berücksichtigt wird, dass auch die Grundelemente immer wieder eine Neubewertung in ihrer Bedeutung erfahren können. Welchen Sinn etwas bekommt ist nicht von vornherein bestimmt, sondern ergibt sich aus seinen Zusammenhängen (Kontext) und deren Zuordnung. Die Sinngebung funktioniert nur in Bezug auf eine spezifische Gegebenheit innerhalb ihrer Rahmenbedingungen. Sie ist auch abhängig von ihrer Anordnung in einer bestimmten Raumsituation. Vor allem hängt sie vom Standpunkt der Betrachtung ab und verwandelt sich bei einem Platzwechsel. Eine Vermittlung dieser unterschiedlichen Sichtweisen kann nur im Dialog erfolgen.

Die zum Teil sehr unterschiedlichen Blätter spiegeln ein breite Variation von Seinsmöglichkeiten, die als sinnlos oder sinnvoll wahrgenommen werden können. Es eröffnet sich ein Wechselspiel der Orte und Räume von Innen nach Außen, was sowohl den Ort und Raum der Installation, als auch den des eigenen Selbst betrifft.

 
       
    < zu Seitenanfang